Niederlande
Die Niederlande, ein Traumland für Radfahrer? Der Niederländer fährt lieber mit dem Rad als mit dem Auto! So wird es uns jedenfalls immer erzählt. Ich habe da einen anderen Eindruck gewonnen.
Die Niederlande haben die gleichen Probleme wie wir. Zu viele Menschen, zu viele Autos, zu wenig Platz und absolut zu viele Idioten. Was die Niederlande uns voraus hat? Eine hohe Toleranzschwelle, einen halbwegs durchgängigen Verkehrsplan und eine ebenfalls halbwegs durchdachte Verkehrsstruktur. Auch hier liegen je nach Provinz, Landkreis, Stadt und Gemeinde erhebliche Unterschiede vor. Und nicht zu vergessen, innerhalb der Stadt mit mehr gegenseitiger Rücksichtnahme.
Der Plan, für den Juli 2019, war, mit dem Zug von Hamburg nach Leer und dann mit dem Rad durch die Provinzen Groningen, Drente, Overijssel, Gelderland, Utrecht, Holland, Nordbrabant und Limburg über Aachen zurück oder weiter.
Als Stadt mit Priorität standen natürlich ->Groningen, ->Amsterdam, ->Rotterdam und ->Den Haag ganz oben auf meiner Liste.
Terminlich viel die Tour zusammen mit den Schulferien in NRW und damit klammerte ich Seeland und Nordholland aus. Ich wollte Holland erleben und nicht an jeder Ecke auf Deutsch angequatscht werden.
Niederlande 2019
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Erster Eindruck
Beim Queren der Grenze, irgendwo unterhalb bei Bad Nieuweschans, erlebte ich als Radfahrer keine große Veränderung. Die Radwege zogen sich ebenfalls als defekter, zugewachsener Randstreifen neben der Fahrbahn hin. Wo sind sie, die berühmten "Fietspad" der Nederlande? Soll dieser schmale rote Teerstreifen etwa alles sein?
Sie kamen und das in geballter Macht und mit einigen gravierenden Umgewöhnungen für mich.


Erstmal musste ich mich aber an ganz was anderes gewöhnen. Die Niederländer haben eine grund verschiedene Art des Radfahren.
Das Nebeneinanderfahren bis zur letzten Sekunde.
Kommt einem das Pärchen entgegen besteht die Chance das Platz gemacht wird. Kommt euch eine Gruppe entgegen, ja dann wird es lustig weil keiner aus der Gruppe weiß wohin es geht. Fahren sie vor euch her, braucht ihr Nerven.




Treten sie vereinzelt auf geht es ja noch. Entsteht ein Kontakt mit den typischen Kolonnen von vier oder mehr Rennrädern, ist man hoffnungslos verloren. Da hilft nur noch Stoppen oder schmerzhafter Körperkontakt. Selbst die freundlichen Hinweise, dass sie als Raser dem Anderen eine Chance geben sollen ???

Bromfiets
Die ->Bromfiets auf den Radwegen sind nicht gerade ein erquickendes Erlebnis.
Ursprünglich waren damit die Mofas (motorisiertes Fahrrad) mit einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h gemeint. Heute sind es überwiegend Motorroller mit 45 km/h, dem entsprechenden Platzbedarf und immer noch mit Zweitaktmotoren. Ach ja, und immer noch in Massen, ohne Verstand und ohne "Führerschein?".
Noch hört , bzw. riecht man sie rechtzeitig. Nur wenn die E-Scooter sich mehr verbreiten wird es spannend.
Im Museum für ->Bromfiets bei Emmen kommt meine Generaton ins Träumen.

Überlandfahrt
Da kann es passieren das der Radweg über eine, in Deutschland würde man sagen: "Bundesstraße", geführt wird. Mitten auf der Fahrbahn befindet sich sowas wie eine Querungshilfe auf der man sich erholen kann wenn die erste Fahrspur unversehrt gequert wurde. Hier ist klar zu erkennen, auch der Niederländer hat beim Autofahren zwei Gesichter. In der Stadt und auf dem Land.
Da fällt mir ein, ebenfalls verlässt sich der Niederländer lieber auf seine Hupe als auf die Bremse, wobei die Busse des öffentlichen, elektrischen Nahverkehrs eine Glocke verwenden.


Positiv
In den Nederlande kann man Fahrrad fahren. Es sind so die versteckten Kleinigkeiten die einem das Fahren leichter machen.
Das ->Knotenpunktsystem. Hat man es (kinderleicht) begriffen, ist es hilfreicher als das beste Navi. Mit Hilfe spezieller Karten oder auch nur mit den Wegetafeln ist es einfach sich einen Rundkurs oder auch eine Durchfahrt zusammen zustellen.
Das ->Kartenmaterial beträgt 22 Blätter a € 9,60. Ich finde € 211,00 sind eine menge Holz.

Dann die mit Vorrecht geschalteten Fahrradampeln. Teilweise mit Drücker aber überwiegend mit Bodenkontakt. Bei der richtigen Geschwindigkeit und in Verbindung mit der klaren Trennung zwischen Radfahrenden und Auto, entsteht dadurch eine grüne Welle.

Die Fahrbahnmarkierungen signalisieren eindeutig wer hier Vorrang hat. Nebenbei bemerkt, sind die Abbiegespuren so angelegt das der Autofahrer klar die Übersicht behält und sich nicht auf seinen Außenspiegel verlassen, oder sich den Hals verrenken muss.
Diese Markierungen befinden sich auch auf den Radwegen damit bei Streitigkeiten schnell geklärt ist wer mit seinem Fietse geschlafen hat. Leider fand ich hier auch einen Wehmutstropfen. Der Bergfahrende musste dem Talfahrenden Vorrang einräumen.



Was einem wirklich Spaß macht sind die kilometerlangen Schnellwege. Verbunden mit Unter- oder auch mal einer Überführung verlaufen sie parallel mit den Autobahnen aber dennoch so weit davon entfernt das kein Gehörschutz notwendig ist.
Städte die man sich nicht antun sollte
Ich habe keine Stadt gefunden. Die Städte in den Niederlande sind zwar ähnlich, aber nicht gleich. Je nach Provinz ändern sich die Stadtbilder.
Städte die man besuchen sollte
Mit einem Wort - Alle.
Hervorheben möchte ich dennoch -> Groningen, -> Den Haag und -> Dordrecht, dem nachgesagt wird das Heidelberg der Niederlande zu sein.
Jede Stadt, wenn der Gürtel der ->Trabantensiedlungen durchquert ist, hat ihren eigenen Flair, der nur schlecht in Worten beschrieben werden kann.
Amsterdam
->Amsterdam, die Stadt der Tulpen. Durchzogen von einer unendlichen Anzahl von Grachten und überspannt von Brücken in jeglicher Bauform, Größe und Qualität. Ich habe die Stadt von Ost nach West durchquert und war (unangenehm) Überrascht. Die Innenstadt ein quirliger Hexenkessel, die Randbezirke still und Menschenleer.
Selbst mit Navi war es teilweise unmöglich den Überblick zu behalten wo man sich gerade befand. Wie oft ich an Straßenkreuzungen mich grundlegend neu orientieren musste kann ich nicht mehr zählen. Froh war ich das ich mein Gepäck auf dem ->Camping gelassen habe und Solo unterwegs war. Zu dem Camping noch eine Randbemerkung. Nachmittags um 16:00 stand ich in der Gästeschlange und wartete darauf meine 4 qm Zelt positionieren zu können. Von der Verwaltung versuchte kein Mitarbeiter Ordnung in das Chaos zu bringen. So geschah es das irgendwann in meinem Eingangsbereich die Sturmleine meines (blinden) Nachbarn positionierte war.



Dordrecht
->Dordrecht, das Heidelberg der Niederlande? Ja, ich kann es bestätigen. Es hat ebenfalls eine recht alte Bausubstanz und ist genauso zugebaut wie ihre bekannt Schwester in Deutschland. Was in Heidelberg die Hügel sind ist in Dordrecht das Wasser.
Durchfahren? Keine Chance! Nach der Querung der Maas mit dem Waterbus war Schieben angesagt. Durch die Massen der Terroristen war an Fahren nicht zu denken.


Rotterdam
Mich als Zwangshamburger hat natürlich ->Rotterdam angesprungen und da komme ich zu meinem Lieblingsthema. Die kurzsichtigen, idiotischen, von Ignoranten durchgeführten Fehlplanungen der Hamburger Stadtplaner. Alleine der neue Elbtunnel ist nicht vergleichbar mit dem ->Beneluxtunnel. Hier haben Leute mit Sach- und Fachverstand eine Anforderung "Staus und die Kombination verschiedener Transportarten in einem Tunnel, eine schnelle Bauzeit und die vorhandenen Transportströme sowohl über dem Wasser (New Maas) als auch über die Straße (A4) so wenig wie möglich einzuschränken!", umgesetzt. Seit 2002 fahren auch hier, die Radfahrer in einer gesonderten Röhre unter der Maas hindurch. Am Rande sei erwähnt, dass der Beneluxtunnel 1962 und der Elbtunnel 1974 gebaut wurden. Die Stadtplaner hätten also genug Zeit gehabt etwas zu lernen um sich die ->Köhlbrandbrücke zu ersparen.
Und da Hamburg einen alten ->Elbtunnel besitzt, hat Rotterdam 1937 den -> Maastunnel nachgelegt. Auch hier Vorausschauend, es kam direkt eine Röhre für Fußgänger und Radfahrer dazu. Im Sommer 2019 liefen umfangreiche Renovierungsarbeiten, die es mir unmöglich machten den Maastunnel zu durchfahren. Und hier ein Lob an die Niederländer, die ausgewiesene Umleitung für Radfahrer, inklusive der Streckenführung, vorbildlich.

Resumee
Bei einem Besuch in den Niederlanden sollte Zeit mitgebracht werden. Auch die Strecken sollten nicht dem Leistungsstand sondern dem Informationsstand angepasst sein. Ich bin aus dem Staunen und Schauen nicht mehr herausgekommen.
Da die Niederlande ein enges Netz von Zeltplätzen jeglicher Art haben, steht einem relativ preiswerten Aufenthalt nichts entgegen. Klar, in Rotterdam und Amsterdam liegen diese Plätze nicht im Stadtzentrum jedoch sind die Entfernungen überschaubar.
